Als Pilot nahezu in Gänze versagt, oder, unauslöschliche Lehrstunde der Hochgebirgsfliegerei. Ich bevorzuge die zweite Interpretation. Sie macht des Piloten Schulter etwas breiter.
In den anfänglichen Etappen kam das Himalaya-Wetter sehr leichtfüßig daher. Auch die Berge schienen guter Laune. Zuckergleich glasierte Gebirgshänge hauchten mir ihr süßestes Einladungslächeln entgegen. Nubra-Tal, Kardung-Pass und die Stadt Leh, wer denkt bei solchen Flügen schon an Ungemach.
Das weitläufige Nubra-Tal.
Der Kardung-Pass, einer der weltweit höchsten befahrenen Gebirgspässe. Hinten rechts führt diese unglaubliche Straße in die Stadt Leh.
Dem Kardung-Pass gefolgt, über eine Bergkuppe, erblickt man talwärts die wunderschön gelegene Stadt Leh.
Und dann kam sie, die Grenzerfahrung, Etappe 9, eine Lehrstunde, die verinnerlicht ist.
Sie begann auf VILH. Schönstes Flugwetter mit leichter Wolkenbildung. Nicht absehbar, welches Drama folgen sollte. Im Wesentlichen stand die Verfolgung von Straßenverläufen durch ein paar Schluchten im Flugplan. Nichts Herausforderndes, also wird es eine lockere Etappe in monumentaler Kulisse, so mein Gedanke. Die Prognose bestätigte sich über viele Flugmeilen und während ich dem Gedanken nachhing, wie Menschen es schafften hier zu überleben und Gesellschaftsstrukturen aufzubauen, tauchte sie wie aus dem Nichts in der nächsten Schluchtenkurve auf.
Fettes Teil, das sich da zwischen die Berghänge gefläzt hat. Na ja, passieren kann eigentlich nichts, denn so dicht an den beidseitigen Bergflanken müsste ich die auf jeden Fall sehen können und außerdem ist für die Bodenabschätzung ja noch der radargestützte Höhenmesser an Bord. Gepaart mit der Überheblichkeit mittlerweile recht vieler Flugstunden in diesem Hubschrauber, war die Entscheidung getroffen. Risiken waren gewogen und die Situation als beherrschbar gebucht, also hinein ins Vergnügen.
Vorher unvorstellbar; Das gibt es doch gar nicht, nichts zu sehen, absoluter Blindflug. Matze, wach auf, was machen? Landen? Ohne Sicht, wird eine Bruchlandung. Zurück? Erstmal im engen Korridor wenden und dann nicht zu wissen, ob sich das mittlerweile durchzieht. Außerdem ist es zum Ziel kürzer. Flucht nach oben und überfliegen? Genial, das probieren wir.
Vereisung und Leistungsverlust des H145 sind Themen, nun ja, ich will es mal so skizzieren, in Anfangsstadien haben Triebwerke und Cockpitscheibe des Hubschraubers mal Unwillen geäußert. Auf die ging ich sofort ein, bereinigte die Unpässlichkeiten und das war es auch schon mit meinen Erfahrungen damit, bis hierhin.
Entgegen der wohl landläufigen Meinung, zwischen einer in kürzester Zeit durchgängig vereisten Cockpitscheibe und einem Wolkendurchflug mit null Sicht gäbe es keinen Unterschied, machte ich andere Erfahrungen. Hinter einer Vereisung entsteht sehr schnell klaustrophobische Panik. In einem Wolkendurchflug sucht man nach Lösungen und gibt sich der nicht unrealistischen Illusion hin, dass sich die Sichtbarkeit irgendwann bessern muss.
Lüftung! War da nicht mal was mit diesen dicken Knäufen auf der Mittelkonsole? Ja, da war mal was und es half. Wieder zurück auf die Ursprungshöhe, folgten 30 Minuten höchster Konzentration. Fluglage, Karte auf dem Display, Höhenänderungen immer im Blick… Es gelang und kurz vor dem Zielflughafen öffnete sich die Wolke. Unschwer zu erahnen, wie gut das Bier im Angesicht der Wolke, aus der ich kam, schmeckte.
Die darauf folgenden ruhigeren Etappen flogen Koschi und ich gemeinsam. Da er Indien intensiver bereiste, hatte er natürlich viele Anekdoten zu erzählen und streute private Fotos in die Gespräche ein. Es war ein großes Glück, diesen interessanten Geschichten beiwohnen zu dürfen.
Taj Mahal
Abaneri Treppen
Lonar-See
„Warnmeldung auf dem MFD, Leistungsverlust, muss landen.“, so Koschis plötzlicher Ruf. Da wir uns nach kurzer Analyse weder die Meldung, noch das Verhalten seines H135 erklären konnten, landeten wir. Zufälligerweise waren wir gerade im Überflug des Bergdorfes Matheran, was unserer Absicht entgegenkam. Trotz beengter Bebauung zwischen die Häuser gequetscht, werkelte Koschi in seinem Heli und bekam das technische Problem in den Griff.
Aktuell geht es schnellen Fluges nach Sri Lanka. Hoffentlich ereignisärmer. Bis zum nächsten Reisebericht, der dann wieder deutlich kürzer ausfällt, versprochen.